Mit Umsetzungskompetenz gegen Fachkräftemangel, Überhitzung und Fluktuation
Würden wir tun, was wir wissen, hätten wir in Unternehmen kaum Fachkräftemangel, hohe Fluktuationen oder Überhitzung. In diesem Artikel zeigen wir auf, wie sich der Teufelskreis von fehlender Anwendungs- und Umsetzungskompetenz in Unternehmen zeigt, wie der Knowing-doing-Gap unser Verhalten beeinflusst und mit der Abgabe von Macht der Schlammassel vieler Unternehmen gelöst werden kann.
Heute Morgen Ex-Press-Paket von der Post mit Verspätung eingetroffen und deshalb den Fahrer nach Deutschland verpasst. Trotz Versprechen des Dienstleisters waren die 15 Franken Gebühren umsonst. Der Postbote meinte „Die Hausnummer fehlt auf der Adresse“. Worauf ich sagte, dass es nicht möglich wäre 1 Stunde Verspätung damit zu rechtfertigen, wir haben grad mal 5 Häuser an dieser Strasse. Darauf der Postbote: „Sie haben recht, wenn ich ehrlich bin, ist das Paket bei uns schon zu spät eingetroffen.“
Was wird passieren?
Einen Monat auf die neue Steuerung des Kochfeldes eines Schweizer Herstellers gewartet. 3 Mal Ersatzteil geliefert, 3 Mal defektes Ersatzteil erhalten und wieder zurückgeschickt. Der Monteur bleibt mit Arbeitszeit, Wegkosten und Versandspesen auf seinen Aufwandskosten sitzen. Der Kunde zweifelt an der Qualität einer rennommierten Marke. Was wird passieren?
Bewerbung in einem von Fachkräftemangel betroffenen Spital eingereicht. Nach 5 Wochen warten und nachhacken, Interesse an mehr Zeugnissen bekundet und sofort eingereicht. Nach weiteren 5 Tagen und erneutem nachfragen folgende Antwort erhalten: „Sie müssen uns PDF’s einreichen.“ Nichts anderes haben wir gemacht. „Wir haben nichts bekommen.“ Dann die Zeugnisse persönlich vorbeigebracht, um danach festzustellen, dass die Zeugnisse zwischenzeitlich doch heruntergeladen wurden - also angekommen sind. Danach: „Wir entscheiden morgen, ob wir noch weitere Kandidaten einladen wollen. Seither nichts mehr gehört. Ich frage jetzt nicht, was passieren wird - Sie wissen es!
Wie wollen diese Unternehmen in die Zukunft gehen, wenn sie das Kerngeschäft nicht beherrschen und nicht aus ihren Fehlern lernen? Statt die Ursachen von Herausforderungen zu beseitigen, gelangen Unternehmen in einen Zyklus der Gefangenschaft, in dem sie immer mehr Mitarbeiter und Spezialisten einstellen müssen, um mit den negativen Auswirkungen der Probleme umzugehen. Es werden zusätzliche Stellen geschaffen und mit viel Aufwand im Arbeitnehmermarkt um Fachpersonal gerungen. Statt die zugrunde liegenden Probleme anzugehen, setzen Unternehmen weiterhin auf das Einstellen von mehr Mitarbeitern, um die Lücke zu füllen. Die eigentlichen Gründe für die Überlastung, die Qualitätsprobleme und die hohe Fluktuation werden jedoch nicht angegangen.

Die Verstärkung des Teufelskreises, was passiert, wenn nichts passiert?
Durch das anhaltende Fehlen einer effektiven Problemlösung verstärken sich die Probleme im Unternehmen weiter. Die Mitarbeiterbelastung, die Qualitätsprobleme und die Fluktuation nehmen zu und das Unternehmen gerät in einen Teufelskreis aus ineffizienten Abläufen und negativen Auswirkungen, das in Überhitzung und zunehmender Fluktuation die Organisationsgesundheit empfindlich gefährdet:
Mehr Mitarbeitende verursachen mehr Kosten, die Wertschöpfung nimmt ab. Dies kann wettbewerbsfähige Gehälter, fehlende Aufstiegschancen oder ungünstige Arbeitsbedingungen mit sich bringen, so dass Unternehmen es schwer haben, qualifizierte Fachkräfte anzuziehen und zu halten.
zeitgleich kann die Effizienz abnehmen, denn ohne die Identifizierung und Behebung von Engpässen oder ineffizienten Prozessen können zusätzliche Mitarbeiter dazu führen, dass die Abläufe noch komplexer werden und damit die Produktivität und Effizienz des Unternehmens beeinträchtigen. Damit steigen die Schwierigkeiten, sich an die veränderten Anforderungen und Dynamiken anzupassen. Dies könnte wiederum bedeuten, dass sie nicht in der Lage sind, die richtigen Talente anzuziehen, die für die Zukunft des Unternehmens entscheidend sind.
Mehr Mitarbeitende führen zu mehr Kommunikationsherausforderungen, was zu Missverständnissen, Fehlkommunikation und geringerer Zusammenarbeit führen kann. Wenn Soft Skills wie Kommunikation, Teamarbeit und Problemlösung übersehen werden, kann es dazu führen, dass qualifizierte Talente in diesen Bereichen übersehen und Chancen zur Verbesserung ungenutzt bleiben.
Was wird passieren in den drei Beispielen, die wir aus unserer Praxis mitbringen und Sie selbst garantiert jede Menge eigene Beispiele kennen? Nichts, stimmt nämlich nicht. Es wird viel passieren, was wir am Schluss als „schlechte“ Unternehmenskultur bezeichnen. Denn wenn die eigentlichen Probleme nicht behoben werden, können Qualitätsprobleme auftreten. Dies führt zu unzufriedenen Kunden, Reklamationen und einem schlechten Ruf, der auf lange Sicht einen Wettbewerbsnachteil gegenüber Unternehmen erleidet, die effektivere Strategien zur Problembewältigung umsetzen.
Wenn Mitarbeiter erkennen, dass ihre Arbeit aufgrund ungelöster Probleme frustrierend oder unproduktiv ist, könnten sie das Unternehmen verlassen. Eine höhere Fluktuation beeinträchtigt die Kontinuität und Stabilität des Unternehmens. Damit geht meistens die Vernachlässigung von Innovationen und kreativen Lösungen einher. Schliesslich erfordert die Lösung der zugrunde liegenden Probleme bereits neue Ideen und Ansätze, die sich in Innovationsgeist zeigen, der mit der Anstellung von mehr Mitarbeitenden und Spezialisten kaum zum Tragen kommt. Insgesamt kann das reine Einstellen von mehr Mitarbeitern, ohne die zugrunde liegenden Probleme anzugehen, langfristig negative Auswirkungen auf die Finanzen, die Produktivität, die Mitarbeiterzufriedenheit und den Ruf eines Unternehmens haben.
Warum gibt es so viele Lücken zwischen dem, was Unternehmen wissen, was sie tun sollten und dem, was sie tatsächlich tun? Warum scheitern so viele Unternehmen daran, die Erfahrungen und Erkenntnisse, die sie sich so hart erarbeitet haben, umzusetzen?
„The Knowing-Doing Gap“ ist das erste Buch, das sich der Herausforderung stellt, Wissen darüber, wie sich die Leistung verbessern lässt, in Massnahmen umzuwandeln, die messbare Ergebnisse liefern. Die Autoren Jeffrey Pfeffer und Robert Sutton identifizieren die Ursachen der Kluft zwischen Wissen und Handeln und erklären, wie man sie schliessen kann. Die Botschaft ist klar: Unternehmen, die Wissen in die Tat umsetzen, vermeiden die „Smart-Talk-Falle“.
Führungskräfte müssen Pläne, Analysen, Besprechungen und Präsentationen nutzen, um Taten anzuregen und nicht als Ersatz für Taten. Unternehmen, die ihr Wissen in die Tat umsetzen, beseitigen auch Ängste, beseitigen den destruktiven internen Wettbewerb, messen, worauf es ankommt und fördern Führungskräfte, die die Arbeit der Menschen in ihren Unternehmen verstehen. Die Autoren verwenden Beispiele von Dutzenden von Unternehmen, die zeigen, wie einige die Kluft zwischen Wissen und Handeln überwinden, warum andere versuchen, aber scheitern und wie wieder andere die Kluft überhaupt vermeiden. Die Kluft zwischen Wissen und Handeln wird mit Sicherheit bei Führungskräften überall auf der Welt Anklang finden, die täglich darum kämpfen, dass ihre Unternehmen wissen und tun, was sie wissen. Es ist ein erfrischend offener, nützlicher und realistischer Leitfaden zur Verbesserung der Leistung im heutigen Unternehmen.
Die Autoren betonen, dass es Kräfte gibt, die die Fähigkeit einer Organisation untergraben, Wissen in die Tat umzusetzen. Pfeffer und Sutton skizzieren fünf Elemente, die Organisationen daran hindern, Wissen in die Tat umzusetzen. Wir stellen diese fünf Hindernisse vor und ergänzen sie im nächsten Abschnitt mit Beispielen aus unserer Führungs- und Kulturgestaltungspraxis.
1. Wenn Reden Taten ersetzt
Organisationen betrachten das Reden über etwas als gleichbedeutend damit, tatsächlich etwas dagegen zu tun. Das Reden findet jetzt statt, die Handlung geschieht viel später (wenn überhaupt etwas passiert). Menschen kommen dadurch voran, dass sie klug klingen und nicht dadurch, dass sie dafür sorgen, dass kluge Dinge passieren. Wir alle haben dies in Aktion gesehen – Menschen, die Entscheidungen treffen und denken, die das Handeln ersetzen, Präsentationen als Ersatz für das Handeln halten, Dokumente vorbereiten als Ersatz für das Handeln oder Missions-/Visionserklärungen als Ersatz für das Handeln erfinden. All dies sind notwendige Schritte und entscheidend für den Erfolg, aber keiner allein lässt sich in die Tat umsetzen.
Da wir ja sowieso alle diese Sitzungen kaum noch ertragen, in denen endlos diskutiert und präsentiert wird, mein Kulturboostervorschlag für die Zukunft: Eine Stunde Sitzungszeit wird gestrichen, stattdessen wird eine Stunde gemeinsam an der Umsetzung einer Aktivität gearbeitet. So können wir anstatt über Ordnung und deren Wichtigkeit reden, gemeinsam putzen und sortieren. Ob Lager oder Office oder digitale Ablagesysteme: Das schafft Verbindung und erzeugt Spass an der Umsetzung.
2. Wenn das Gedächtnis ein Ersatz für das Denken ist
Organisationen nutzen das Gedächtnis als Ersatz für das Denken. Das stelle ich fest, wenn ich die Argumente höhere, weshalb ein Prozess nicht gestrichen oder rationalisiert werden kann. „Wir haben das schon immer so gemacht oder wir sind uns gewohnt, so zu arbeiten“. In vielen Organisationen stehen Elefanten und heilige Kühe auf der Liste der unantastbaren Rahmenbedingungen. Dinge, die in Ruhe gelassen werden müssen und über die niemand spricht. Hierbei handelt es sich um Richtlinien und Verfahren, die einst nützlich und entscheidend waren, aber möglicherweise nicht mehr relevant sind. Alternative Denkweisen werden bei der Einführung dieses Prozesses noch nicht einmal in Betracht gezogen und haben sich seitdem nicht geändert. Schwierig wird es dann, wenn durch neue Initiativen die Komfortzone verlassen werden soll; oft stehen in solchen Fällen Eigeninteressen vor den Interessen der Organisation.
Tipp Kulturboosterin: Hier sollen die Konsequenzen von Negieren und Ignorieren tatsächlich diskutiert und reflektiert werden, damit das Denken angekurbelt wird und der „Value-Action Gap“ mit gutem vorangehenden Beispiel die kurzfristig unangenehme Folgen überwinden lässt. Schliesslich sollte die erste mutige Frage sein: Was wäre, wenn ein Prozess abgeschaft würde anders?
3. Wenn Angst das Handeln aufgrund von Wissen verhindert
Wenn Mitarbeitende nicht darauf vertrauen können, dass Unternehmen sich an ihre Versprechen halten, herrscht ein Klima der psychologischen Unsicherheit. Warum ist das relevant? Wenn Menschen Angst davor haben, dass ihnen die Schuld gegeben wird, wenn etwas nicht gut läuft, werden sie kaum die Initiative aufbringen, etwas umzusetzen, Menschen befürchten, ihren Job zu verlieren, wenn eine Massnahme, die sie ergreifen, nicht mit der Vorgehensweise der Organisation übereinstimmt. Die einzige Möglichkeit, Angst zu vertreiben, besteht darin, dass die Führungskräfte in der Organisation mitfühlend sind und dem Team zeigen, dass es wichtiger ist, das Richtige zu tun, als sich Sorgen über Angst, Schuldzuweisungen oder den Verlust des Arbeitsplatzes zu machen.
Tipp Kulturboosterin: In der Praxis kann die Belohnung für Mut der Angst entgegenwirken und ein allmähliches Gewöhnen und Vertrauen festigen: Hier sind Kreativität und Experimentierfreudigkeit gefragt:
Wer ein Problem gelöst hat, hat sein Arbeitsstundensoll erfüllt und kann für heute früher gehen - schon ausprobiert? Wer den Mut hat den Elefanten im Raum zu benennen und sich aktiv mit Handlungsoptionen einbringen will, bekommt die entsprechende Rolle - denkbar?
4. Wenn Messungen ein gutes Urteilsvermögen behindern
Dies ist der Fall, wenn von Organisationen durchgeführte Messungen die richtige Vorgehensweise behindern. Diese Messungen könnten sich eher auf kurzfristige Finanzergebnisse als auf langfristigen Erfolg konzentrieren. In manchen Fällen sind die Messungen zu komplex, was den Menschen daran hindert, Massnahmen zu ergreifen. Organisationen konzentrieren sich in vielen Fällen auch zu sehr auf prozessbegleitende Massnahmen, aber nicht genug auf Ergebnismessungen.
Tipp Kulturboosterin: Warum messen wir nicht die Anzahl an Ideen, Initiativen, Experimenten oder Mut den Menschen aufbringen für Taten? Die Anzahl gelöster Konflikte, die Anzahl an positiven Rückmeldungen für unser wertschätzendes Absageschreiben, weil sich Kandidaten gesehen fühlen? Was würde sich ändern, wenn wir die Anzahl der Probleme, die wir gelöst haben messen oder die Anzahl an Energieverschwendung, die wir dadurch einsparen? Die Anzahl freundlicher und positiver Gesinnung und Wohlwollen, die Menschen in Unternehmen anderen zukommen lassen? Die Anzahl an Minuten pro Tag für ein offenes und empathisches Zuhören?
Wer eine Umsetzungskultur schaffen möchte, tut gut daran neue Massstäbe zu entwickeln und den Wert bisheriger (Ver)messungen zu hinterfragen und mit Werten zu verbinden.
5. Wenn interner Wettbewerb Freunde zu Feinden macht
Das passiert auch häufiger, als Führungskräfte in Organisationen zugeben wollen. In bestimmten Organisationen ist eine interne Wettbewerbsdynamik verankert, die Wissens- und Handlungslücken schafft. Dies untergräbt die Teamarbeit und den Wissensaustausch.
Tipp Kulturboosterin: Ein Kunde von mir setzt dem seit Jahren entgegen, indem er die Macht für Aktivitäten und Probleme an die wirklichen Experten - dort wo die Probleme existieren - abgegeben hat. Jeder Mitarbeiter in seinem Betrieb hat ein monatliches Problemlösungsbudget von Fr. 100.00. Er war es leid Kostengutsprachen für eine neue Kaffeemaschine, schönere Handtücher, den Blumenstrauss an eine Kundin als Entschuldigung oder sonst eine Lösung für Verbesserung, die mit Kosten verbunden ist ständig auf seinem Tisch zu haben. Das Resultat: Die Belegschaft organisiert sich selbst, setzt um und bei grösseren Vorhaben werden alle involviert und legen die individuellen Problemlösungsbudget zusammen. Wer denkt, dass dies ausgenutzt wird, liegt falsch. Manchmal ist ein Bedürfnis auch kein Problem mehr, weil die Belegschaft durch den Einbezug dieser ökonomischen Rolle eine andere Perspektive einnimmt, und damit einen verantwortungsvollen Umgang pflegt.
Viele Unternehmensteams verbringen so viel Zeit damit, Strategien und Leitbilder zu entwickeln, dass sie nichts wirklich umsetzen. Dasselbe gilt auch für Einzelpersonen. Wir planen, überlegen, diskutieren, grübeln – und zählen die Stunden des Redens und Austauschens als „Aktion“. Wir glauben, dass wir auf unsere Ziele hinarbeiten, obwohl wir in Wirklichkeit nur auf der sicheren Seite sind.
Wertschöpfung bedeutet unser Wissen maximal umzusetzen. Menschlichkeit bedeutet, die Wertschöpfung in einer gesunden Balance von Wissen und Tun auszurichten zum Wohle von uns und der Organisation.
Herzlich,
Kulturboosterin
Manuela Broz