Um es vorweg zu nehmen: Ich weiss, dass ich nichts weiss; schon gar nichts über die Stoische Philosophie zu der ich an der Uni ein Tagesseminar zur Einführung in die Betrachtungsweise der Stoia besuchte. Erkenntnisse sind meines Erachtens nicht mit Wissen zu verwechseln, doch gehören sie in den Lernprozess, der sehr wohl am Ende zu Wissen führen kann. Ein Stoiker würde wohl sagen, dass Wissen der Zustand ist, indem man nur noch Erkenntnisse hat. Meinungen sind keine Erkenntnisse. Deshalb kommen die Stoiker zum Schluss, dass Emotionen falsche Meinungen sind. Was meine Erkenntnisse zu der stoischen Auffassung und den äusserst emotionalen Vorfall auf dem Spaziergang mit meinem Hund zu tun haben, in diesem Beitrag.
Das philosophische System der Stoiker besteht aus den drei Teilen der Logik, Physik und Ethik. Unter der Logik versteht die Stoische Philosophie die formale Logik also die Entwicklung einer Aussagenlogik und die Erkenntnistheorie, bestehend aus Meinung, Erkenntnis und Wissen. Die Physik geht davon aus, dass nur Körper existieren und Vernunft und Materie genauso Körper sind wie die Seele. Denn alles was einen logischen Ablauf und eine Kausalität hat, ist Körper. Die Seele ist das an uns, was Gefühle entwickelt und mit unserem Körper verbunden ist weshalb physikalisch betrachtet, die Seele eben auch ein Körper ist. Die Philosophie der Stoiker besagt, dass Tugend Wissen ist, Emotionen falsche Meinungen sind und wir alle Bewohner desselben Kosmos sind und seine Bürger werden sollten.
Ich halte inne: Emotionen sind falsche Meinungen. Jetzt wird's für mich spannend:
Was mach ich jetzt mit meinem Ärger über den älteren Herrn, der vor zwei Tagen drohte, meinem Hund einen Tritt verpassen zu wollen, weil Odhin schwanzwedelnd (Ausdruck von Freude - auch eine Emotion!) vor ihm stehen blieb und in dieser Position - berührungsfrei -einfach verweilen wollte und deshalb nicht schnurstracks auf Kommando zu mir zurückkam? Nochmals: Emotionen sind falsche Meinungen. So die Lehre der stoischen Philosophie:
"Nicht die Dinge verwirren die Menschen, sondern die Auffassung über die Dinge", so Epiktet, der in seiner Lehre vor allem ethische Fragen behandelt und die praktische Umsetzung philosophischer Überlegungen in den Vordergrund stellt. Er gehört zu den einflussreichsten Vertretern der Stoia.
"Der Tod zum Beispiel ist nichts Schreckliches" so Epiket weiter. "Was vielmehr schrecklich ist, ist die Auffassung über den Tod, dass er etwas Schreckliches sei. Wann immer wir also behindert, verwirrt oder traurig gemacht werden, wollen wir niemals jemand anderem die Schuld daran geben als uns selbst, das heisst: unseren eigenen Auffassungen. Ein ungebildeter verrät sich dadurch, dass er anderen Vorwürfe macht, wenn es ihm schlecht geht. Ein Anfänger in der philosophischen Bildung macht sich selbst Vorwürfe. Der gründlich Gebildete schiebt die Schuld weder auf einen anderen noch auf sich selbst."
Wie hätte Eiktet die Begegnung mit dem älteren Herrn, meinem Hund und mir gesehen und was können wir von den Stoikern lernen?
Dafür versuche ich die drei unterschiedlichen Perspektiven der oben beschriebenen Protagonisten zu erkennen. Und genau das können wir lernen: Die Perspektiven aus anderen Richtungen zu suchen.
Nicht das Stehenbleiben und Schwanzwedeln meines Hundes verwirrte diesen Mann, sondern die Bedeutung, die er diesem Akt zuschrieb. Für ihn bedeutete dieser Akt möglicherweise Angst oder Bedrohung, weil er nicht über das Wissen verfügt, dass Hunde, die mit dem Schwanz wedeln, Freude zeigen. Vielleicht ist der Herr auch kein Tierfreund und die physische Distanz zwischen ihm und Odhin war ihm zu knapp. Seine falsche Meinung führte zu den Emotionen, die er unmissverständlich zum Ausdruck brachte und drohte. Er war der Meinung Angst haben zu müssen und sich dagegen wehren zu müssen.
Mich irritierte, dass der ältere Herr meinem Hund einen Tritt verpassen würde, wenn dieser nicht sofort weggehen würde. Auch ich gab diesem Akt der Drohung in einer ersten Reaktion eine Bedeutung und outete mich - retrospektiv gesehen - als totale Anfängerin in der Anwendung der stoischen Philosophie und meinte: "Sie geben meinem Hund ganz sicher nicht einen Tritt, wenn er sie nicht einmal berührt."
Der Mann hat zwar gedroht, diese Drohung aber nicht ausgeführt. Meine falsche Meinung führt zu Emotionen, die sich in Empörung äusserten. Ich habe mutgemasst, dass er dann gleich meinen Hund treten würde und war empört; so als hätte er es schon getan.
Ihn hat die Auffassung des älteren Herrn nicht interessiert, er hat weder seiner Stimmlage (okey, er hört nicht mehr gut) noch seiner Gestik mit den wedelnden Armen Bedeutung geschenkt sondern blieb in seiner Zufriedenheit über diese Begegnung. Zufriedenheit ist die Abwesenheit von Emotionen, so ja auch die Lehre. Ich weiss nicht, wie lange er noch hätte schwanzwedelnd vor den Füssen des älteren Herrn stehenbleiben wollen, hätte ich ihn nicht geholt. Auch meiner am-Halsband-Mitkommen-Handlung schenkte mein portugiesischer Wasserhund keine Bedeutung, er lief in gewohnter Ruhe mit zum Auto. Stoisch eben.
Epiktet hätte mit Sicherheit Odhin für die praktische Umsetzung der stoischen Philosophie gratuliert. Zufriedenheit ist die Abwesenheit von Emotionen, so besagt es die Lehre der Stoia. Deshalb liegt die Kunst alleine darin, mit den eigenen Gefühlen einen angemessenen Umgang zu finden. Nun kann man natürlich sagen, dass ein Tier nicht die gleichen Emotionen hat, wie ein Mensch. Odhin reflektiert nicht, weil er das nicht kann. Wir Menschen aber können denken.
Ich glaube nicht, dass man in einem Seminar lernen kann gelassener zu werden. Sich und seinen Charakter zu festigen, berechenbarer und ausgeglichener zu werden, scheint mir ein lebenslanges Auseinandersetzen mit sich selbst zu sein. Dafür ist die Stoika hilfreich, wie auch andere Formen wie Meditation oder Yoga. Diogenes Laertius meint: "Die Tugend ist ein konsistenter Charakter. Auch ist sie um ihrer selbst willen wählenswert, nicht wegen irgendeiner Furcht oder Hoffnung oder wegen etwas Äusserem. Und in ihr besteht das Glück, weil die Tugend eine Seele ist, welche erfolgreich zur Übereinstimmung des Lebens insgesamt gebildet wurde."
Darüber nachzudenken, ist schon einmal ein guter Anfang.
Viel Freude beim Lernen. Ausprobieren. Verfeinern. Anpassen
Manuela Broz
Kulturboosterin
In der Raketenwissenschaft ist ein Booster ein Hilfstriebwerk, das der Startrakete den nötigen Schub verleiht - ein Kulturbooster ist ein Verstärker der das Potential von Unternehmen und Individuen zum Abheben bringt.
Manuela Broz begleitet seit 35 Jahren Unternehmen und Menschen in ihrer Transformation für mehr Lust auf Leistung.
www.linkedin.com/in/manuela-broz-kulturbooster
Darunter fallen Verstösse, die sich gegen rechtliche Normen richten. Beispiele sind Geldwäsche, Korruption, Vermögens- und Urkundendelikte, Insider- und Börsendelikte oder Wettbewerbs- und Steuerdelikte. In der Schweiz verlieren Unternehmen wegen Betruges jährlich 830 Millionen Franken.
Darunter fallen Verstösse, die sich gegen moralische Prinzipien richten. Beispiele sind die Menschenrechte der Vereinten Nationen oder die zehn Prinzipien des UN Global Compact. Zu moralischen Prinzipien gehören auch unternehmenseigene Richtlinien wie Code of conduct, Corporate responsibility, Ethical Leadership oder Complience Management mit individuellen Standards und Unterthemen.
Darunter fallen Verstösse, die sich gegen das Unternehmen oder die Beteiligten richten. Da im Gegensatz zu rechtlichem Fehlverhalten die Anzeigen wegen moralischem und organisationalem Fehlverhalten nicht gemessen werden, liegen in diesem Bereich keine Zahlen vor. Welche unternehmenseigene Statistik erfasst schon all die Dinge, die in Unternehmen getan werden, aber eigentlich nicht getan werden sollten?
Die beiden Wissenschaftlerinnen Robinson & Benett unterscheiden in ihren Konzepten den Grad der Schwere, das ein Fehlverhalten auslöst und differenzieren, ob sich denn ein zugefügter Schaden an das Unternehmen oder an das Individuum richtet.
Bevor wir uns anschauen, was wir gegen Fehlverhalten unternehmen können, müssen wir die Gründe dafür kennen. Warum verhalten sich Menschen fehl? Warum verhalten sich gute Menschen unmoralisch? Einerseits gibt es individuelle personenbezogene Faktoren, dann spielen aber auch Voraussetzungen und Rahmenbedingungen sowie organisationale Faktoren eine Rolle bei der Entstehung von unmoralischem Verhalten:
Zu den individuellen Einflüssen von unmoralischem Verhalten zählen psychologische und demographische Faktoren. Eng zusammen gehören bei den psychologischen Einflüssen die Bildung und die kognitive Moralentwicklung. Zu den Charaktereigenschaften gehören Machiavellismus, Idealismus, Zivilcourage oder die Attributionstheorie. Menschen mit hohem Idealismus, persönlicher Courrage und solche, die die Zuschreibung für Erfolg und Niederlage sich selbst zu schreiben, sind tendenziell verantwortlicher und deshalb weniger anfällig für unmoralisches Verhalten. Schliesslich runden wahrgenommene Ungerechtigkeit und Arbeitszufriedenheit die psychologischen Einflussfaktoren für moralisches Verhalten ab. Zu den demographischen Einflussfaktoren von unmoralischem Verhalten gehören Alter, Geschlecht und Gesundheitszustand. So sind gesunde und langjährige Mitarbeitende gemäss Studien eher gegen Fehlverhalten immun.
Je nach Voraussetzungen und Rahmenbedingungen beeinflussen bestimmte Situationen das Fehlverhalten von Menschen:
Je besser und klarer die unternemehenseigenen Prinzipien definiert sind und in der Praxis gelebt werden, desto einfacher gelingt die positive Gestaltung von Klima und Vertrauenskultur. Ein gutes Miteinander und eine starke Vertrauenskultur haben beispielsweise einen positiven Einfluss auf das Verhalten der Unternehmensbeteiligten.
Eine Kultur des Misstrauens fördert Fehlverhalten. Mitarbeitende nehmen das moralische und ethische Klima einer Unternehmung wahr und bewerten dieses nach den Faktoren Egoismus, Wohlwollen und bestehenden Prinzipien.
Schliesslich hängt die gelingende Zusammenarbeit in der Praxis wesentlich von der Identifikation mit Zielen und Werten, Partizipation und Beziehungsgestaltung ab. Auch die Gestaltung der Lohnssysteme und die Arbeitsplatzsicherheit fallen unter die organisationalen Faktoren und können unmoralisches Verhalten beeinflussen. Grundsätzlich kann gesagt werden, wer seine Mitarbeitenden anständig bezahlt, gibt Anerkennung und Stellenwert für geleistete Arbeit und fördert die Selbstachtung und damit moralisches Verhalten in Unternehmen. Die Lohnhöhe stärkt die emotionale Verbundenheit.
So kann es sein, dass Mitarbeitende bewusst länger Pausen machen, weil sie damit die subjektiv ungerechte Entlöhnung in ein persönliches Gleichgewicht bringen wollen.
Gerade abnehmendes Engagement und reduzierte Leistung ist häufig zu beobachten in Unternehmen, die eine hohe Arbeitsplatzunsicherheit vorweisen. Verängstigte Menschen schweigen eher über Misstände.
Gelungene Beziehungen basieren auf gegenseitigem Austausch, Vertrauen, Offenheit, Respekt, Angstfreiheit, Klarheit, Wertschätzung und Verbundenheit. Somit sind sie die Basis für die Entstehung eines ethischen und moralischen Unternehmensklimas. Im Mittelpunkt von Beziehungen steht der Dialog zwischen den Menschen: So sagt uns die Kommunikationswissenschaft, dass die Inhaltsebene zwischen zwei Menschen immer der Beziehungsebene unterliegt.
Das heisst, dass die inhaltlichen Aussagen nahezu deformiert werden, wenn der richtige Draht zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitenden fehlt. Gemeint sind unter anderem Faktoren wie nonverbale Gesten des Nichtbeachtens, Überhörens oder leisen Geringschätzens, die niederdrücken. Die Beziehung zum direkten Vorgesetzten ist deshalb auch die Achillesferse der Arbeitszufriedenheit (vgl. Sprenger, 2012, S. 261).
Weitergefasst könnte man sagen, dass die Beziehung zum direkten Vorgesetzten das Vertrauen, die Verbundenheit, die wahrgenommene Ungerechtigkeit bzw. Fairness, Motivation, Identifikation und damit auch Arbeitsplatzsicherheit und Arbeitsmarktfähigkeit beeinflusst. Die Einstellung, wie wir Beziehungen gestalten, wirkt sich auf unser Verhalten aus und dieses wiederum beeinflusst das Verhalten anderer.
Unmoralisches Verhalten hat einen grossen Radius von Ursachen und Wirkung, steht aber in den meisten Bereichen in Korrelation mit der Qualität der Beziehungen in Unternehmen.
Deshalb kann – auch unter Berücksichtigung der oben beschriebenen Punkte von Fehlverhalten allgemein von der These ausgegangen werden, dass gute Beziehungen moralisches Verhalten und schlechte Beziehungen unmoralisches Verhalten fördern.
Die amerikanischen Autoren Jennifer Kish-Gepart, David Harrison und Linda Klebe Treviño haben in den letzten 30 Jahren aus 170 Studien der psychologischen Forschung eine Metastudie zum Thema „Sources of Unethical Decisions at Work“, also Gründe für unmoralisches Verhalten erarbeitet. Mit Daten von knapp 44 000 Teilnehmenden haben sie das breite Feld der Gründe und Einflussfaktoren in die drei ausschlaggebenden Faktoren eingeteilt: bad apples (individuelle), bad cases (moralische) und bad barrels (organisationale) moralische Entscheide:

Die Übersicht der ausschlaggebenden Faktoren zeigt die Breite von Ursachen für unmoralisches Verhalten auf. Dennoch ist die Auflistung der Gründe nicht vollständig. „Nichtsdestotrotz kann es sein, dass schädigendes Verhalten aus Langeweile oder Spass entsteht“.
Die alte Weisheit, dass ein fauler Apfel die gesunden verdirbt, kommt nicht von ungefähr: Schlechte Angewohnheiten können sich verbreiten, anstecken oder kopiert werden ohne sie zu hinterfragen. Gerade neue Mitarbeitende, die sich anpassen wollen, übernehmen Handlungen von anderen, weil "man es hier so macht".
Die qualitative Schlecht-Erfüllung individueller, moralischer und organisationaler Faktoren fördert die Entstehung von unmoralischem Verhalten. Die qualitative Gut-Erfüllung fördert moralisches Verhalten. Deshalb kann zur Beantwortung der Frage, was die Entstehung von unmoralischem Verhalten am Arbeitsplatz fördert, auch im Umkehrschluss der Fokus auf die Förderung von moralischem Verhalten gerichtet werden, dazu abschliessend zehn Thesen:
Deshalb sind regelmässige Gesundheitschecks für Organisationen mit dem Fokus auf die Unternehmenskultur unabdingbar. Schliesslich gehen wir auch regelmässig zu einem Gesundheitscheck und lassen unseren Zustand von einer Fachperson bewerten. Oder?
Viel Freude beim Lernen, Ausprobieren, Anpassen & Verfeinern!
Manuela Broz
Kulturboosterin
In der Raketenwissenschaft ist ein Booster ein Hilfstriebwerk, das der Startrakete den nötigen Schub verleiht - ein Kulturbooster ist ein Verstärker der das Potential von Unternehmen und Individuen zum Abheben bringt.
Zur Autorin:
Manuela Broz begleitet seit 35 Jahren Unternehmen und Menschen in der Stärkung ihres Potentials mit Führung und Kulturberatung.
Sie bietet Coaching und Trainings für künftige und gestandene Führungskräfte, die ihre Transformationsrolle mit geschärftem Blick für unternehmerische und kulturelle Zusammenhänge verstehen und mit ansteckender Begeisterung umsetzen wollen.
Mehr Informationen auf kulturbooster.com
www.linkedin.com/in/manuela-broz-kulturbooster