Kultur gehört nicht ins HR

Wer Kultur im HR parkt, delegiert Verantwortung. Wer sie in der Organisationsentwicklung verankert, übernimmt Führung.
Beschreibung

Kultur gehört nicht ins HR

Weil Kultur kein Personalprojekt ist, sondern das Ergebnis des gesamten Organisationssystems. HR denkt verständlicherweise in Menschenprozessen: Recruiting, Onboarding, Weiterbildung, Feedback. Doch diese Funktionslogik ist zu eng, um Kultur nachhaltig zu gestalten. Kultur entsteht aus der strukturellen Kopplung aller Funktionssysteme Strategie, Struktur, Prozesse und Führung. Das macht sie zur Kernaufgabe der Organisationsentwicklung und damit zur Chefsache.

Viele Unternehmen parken ihre Unternehmenskultur im HR und wundern sich, dass sie nicht zum Leben erwacht. Es klingt auf den ersten Blick logisch: HR kümmert sich um die Menschen, also auch um die Kultur. Diese Logik wirkt unter anderem auch, weil Wissenschaft HR-Verantwortliche als „Culture Champions“ beschreibt (Harvard Business Review). Die Begründung ist nicht verkehrt, aber wie ich hier aufzeige, viel zu kurz gegriffen: HR steuert Recruiting, Onboarding, Performance-Management, Weiterbildung oder Feedbacksysteme. Alles Prozesse, die Werte und Verhalten prägen. Auch das Journal of Organizational Behavior betont, dass HR-Instrumente entscheidende Hebel sind, um gewünschte Normen zu festigen. Die Quintessenz: Wer die Menschenprozesse steuert, hat auch die Kultur im Griff.

Die Kehrseite und damit auch die einhergehende Tücke der menschenorientierten Brille von HR bedeutet in der Praxis oft, dass dieser Blick zu einer Engführung führt, die nicht zuletzt das gesamte System überfordert. Denn ein System ist nicht die Summe seiner Teile, sondern deren Produkt. Damit ist klar, dass wir Veränderung nicht von den einzelnen Menschen her denken sollten. Lassen wir die Menschen in Ruhe und arbeiten wir am System.

Genau diese fehlende Denkweise in vielen Leitungs- und HR Köpfen führt dazu, dass passiert, was passieren muss: HR ist mit Symtombekämpfung beschäftigt. Fluktuation wird mit ausgefeilten Rekrutierungsmassnahmen aufgefangen, anstatt die Strukturen anzupassen, weswegen Menschen das Unternehmen verlassen. Trainings, Seminare, Coachings werden eingesetzt, um Menschen so zu entwickeln, dass sie besser in eine definierte Vorstellung von „Cultural Fit“ passen. Die Arbeitgebermarke wird noch besser zur Schau gestellt, anstatt den wahren Ursachen von Fluktuation, fehlendem Nachwuchs, schlechter Infrastruktur oder Demotivation auf den Grund zu gehen.

Und das Ergebnis kommt negativ auf HR zurück: In dieser verständlichen Überforderung sind sie der Sündenbock, der den Job nicht mehr im Griff hat, um Bewerbenden eine Absage zu schreiben, ein kluges Onboarding zu erstellen oder die Linie besser zu unterstützen.

Menschen werden an gewünschtes Verhalten angepasst statt die Verhältnisse so zu gestalten, dass das gewünschte Verhalten von selbst möglich wird.

Es ist Aufgabe der Unternehmensführung, dafür zu sorgen, dass Systemdenken in HR inkludiert wird, weil Systemveränderung zu Unternehmensführung gehört und nicht ins HR.

Wer Kultur im HR parkt, delegiert Verantwortung. Wer sie in der Organisationsentwicklung verankert, übernimmt Führung.

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MANUELA BROZ.